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Aktuelle Ausgabe Nr. 7 des forumKirche 30. März bis 12. April 2014

 

Täglich die Liebe im Herzen spüren

 

Besuch beim buddhistischen Mönch Lama Kunsang. Seit November 2013 gibt es in Kreuzlingen ein buddhistisches Zentrum. Lama Kunsang unterweist nicht nur Fortgeschrittene in buddhistischer Philosophie und Meditation, gut besucht sind auch die diversen Einführungskurse. Im Gespräch mit forumKirche erzählt Lama Kunsang, wie er in den Thurgau kam und warum sich westliche Menschen für den Buddhismus interessieren.

«Restaurant zum Landhaus» steht in grossen Lettern an der Fassade des Hauses. Wären nicht die bunten Gebetsfähnchen, man würde wohl achtlos daran vorbeigehen. Doch ein Blick hinter die mit farbigen Vorhängen verdeckten Fenster lohnt sich: In der ehemaligen Gaststube sind zahlreiche Gymnastikmatten ausgelegt, bereit, um sich auf eine Meditation, Yoga oder eine Belehrung einzulassen. An den Wänden hängen prächtige Thangkas, Rollbilder aus Stoff. Darauf abgebildet sind bedeutsame Figuren der buddhistischen Geschichte. Was nicht fehlen darf, ist ein Bild des Dalai Lama und ein Hausaltar mit Darbringungen. Zuvorderst befindet sich der Sitzplatz des Lama Kunsang, versehen mit rituellen Gegenständen. Von dort aus unterweist er die Kursteilnehmenden im tibetischen Buddhismus und zwar im Sinn der Drikung Kagyu Linie. Kagyu ist eine der vier tibetisch-buddhistischen Traditionen und wird als «die mündliche Übertragungslinie bezeichnet, die ungebrochen bis zu Buddha Vajradhara zurückreicht », wie es im Flyer zu lesen ist.

Nachfrage ist gross

Wie ist Lama Kunsang nach Kreuzlingen gekommen? «Nach meinen Studienjahren und einem dreijährigen Retreat (Rückzug) in einer Höhle, kam ich 2001 erstmals aus Indien in die Schweiz», sagt Lama Kunsang. Genauer gesagt nach Rikon, wo das einzige klösterliche Tibet-Institut der Schweiz steht. Dort lehrte er vier Jahre lang, kehrte nach Indien zurück mit der konkreten An frage an seinen Meister, ob er eine Schule in der Schweiz leiten dürfe. Im Thurgau bekam er schliesslich einen Ausweis, um als Geistlicher zu leben und zu lehren. Das Drikung Kagyu Dorje Ling Zentrum startete 2005 in Aadorf, musste aus Platzgründen jedoch nach zwei Jahren nach Frauenfeld verlegt werden. Auch hier wurde es wegen der grossen Nachfrage rasch eng. Bergit Fischer, die Lama Kunsang von Frauenfeld her kennt und mit Gerold Burger das Sekretariat des als Verein organisierten Zentrums führt, erhielt den Tipp, dass in Kreuzlingen eine geräumigere Lokalität zur Verfügung steht.

Ein guter Mensch werden

Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen dem Buddhismus und dem Christentum? «Ja, da gibt es sogar einige», sagt Lama Kunsang. Liebe und Mitgefühl seien Grundhaltungen, die in beiden Religionen stark ausgeprägt seien. So lehnte Siddhartha Gautama, der um 500 v. Chr. den Buddhismus begründete, das vorherrschende Kastensystem ab. «Er hat alle Menschen so gesehen, wie sie sind.» Auch die Bedeutung von Buddha und Gott sei ähnlich. In erster Linie gehe es im Buddhismus darum, ein guter, ehrlicher Mensch zu sein. «Täglich soll im Herzen die Liebe gespürt werden und diese Liebe soll man weitergeben», fügt Lama Kunsang an. In den Belehrungen werden lebensnahe Beispiele oder erlebte Wahrheiten, wie Bergit Fischer sie nennt, weitergegeben. Diese hat Lama Kunsang entweder selber erfahren oder durch mündliche Überlieferung seines Meisters mitbekommen.

Was ist es, das die Menschen trotz der vorherrschend christlichen Tradition auf die Meditationsmatten im buddhistischen Zentrum lockt? Die Philosophie gibt sinnvolle Antworten auf Lebensfragen, findet Bergit Fischer, die im christlichen Glauben erzogen wurde, dort jedoch auf viele Widersprüche gestossen ist. «Der Buddhismus zeigt, wie wir eigenverantwortlich das Leben verbessern können», sagt sie. «Jede Handlung, ob gut oder schlecht, wirkt ebenso zurück in das eigene Leben.» Die Lehre Buddhas passe für alle Menschen, sagt Lama Kunsang. «Sie macht zufrieden und glücklich.»

Claudia Koch